Süßes Geheimnis: Zucker im Rum
Gesetzlosigkeit schien noch lange nach dem Aussterben der karibischen Piraten zu ihrem Lieblingsgetränk dazuzugehören. Die Altersangaben von Rum sind nach wie vor sehr uneinheitlich, je nach nationaler Brenntradition. Doch einen anderen, sehr liberal gehaltenen Punkt korrigierte heuer die Europäische Union: Will man Zuckerrohrspirituosen in den Mitgliedsländern als „Rum“ verkaufen, dürfen diese nicht mehr als 20 Gramm Zucker pro Liter enthalten. Die seit 25. Mai 2021 geltende EU-Verordnung Nr. 2019/787 greift auf diese Weise massiv in den Geschmack der Rums ein. Denn bisher wurde der „Abrundungszucker“, wie es Brenner nennen, in den Herstellerländern recht großzügig verwendet. Bis zu 110 Gramm wurden bei den skandinavischen Alkoholbehörden gemessen. Sie veröffentlichten als Einzige diese Werte auch regelmäßig. Denn das Problem für den Konsumenten lag darin, dass er – anders als bei Lebensmitteln – beim Genussprodukt Rum keine verpflichtende Zuckerangabe am Etikett fand. In der stets entspannten Karibik sah man die Zugabe des Ausgangsprodukts zum Teil recht unproblematisch, zumindest im spanischsprachigen Gebiet. Neben dem natürlichen Zucker, einem Rest der Destillation, der meist bei unter fünf Gramm liegt, wurde also auch nachträglich aufgezuckert. Da viele Rumliebhaber weniger den Whisk(e)y-trockenen Stil der britischen Inseln wie Barbados mögen, sondern eher schokoladig-süße Abfüllungen, bedeutet der neue Grenzwert hier eine Umstellung. Genauer gesagt wird die genaue Lektüre der Etiketten wichtiger. Die Reaktion der Produzenten, die übrigens außerhalb der EU auch weiter Rum nach den „alten“ Rezepten anbieten können, fiel nämlich sehr unterschiedlich aus. Eines aber ist den meisten gemeinsam: Sie wurden selten direkt an den Konsumenten kommuniziert. Eine Ausnahme stellen die Abfüllungen des französischen Rumreifers „Plantation“ dar, die auf den Etiketten auch den Zuckergehalt anführen. Beim beliebten dänischen „A. H. Riise“ hat man sich für den anderen Weg entschieden. Aufgrund der Beliebtheit der süßen Destillate steht nun statt „Rum“ der etwas sperrige Begriff „Feinspirituose aus gereiftem Premiumrum“ am Etikett. Ebenfalls gegen die Abänderung der Rezeptur sprach man sich beim „österreichischen“ Rum aus, den der britische Erzeuger Albert Michler als Hommage an die K.u.k.-Marine abfüllt. „Spirituose auf Rumbasis“ steht nunmehr auf den Flaschen des „Austrian Empire Navy Rum“ zu lesen. Man wollte das gewohnte Geschmacksprofil nicht verändern: „Eine Abänderung der Rezeptur würde in eine falsche Richtung führen.“ Die richtige Richtung zu finden, ist aber ganz einfach: Am besten seinen Lieblingsrum aus dem weinwelt-Sortiment herauskosten!
Von Roland Graf (einem der vielseitigsten Getränkejournalisten des deutschen Sprachraums und verfasst international gefragte Beiträge zu Bars, Bieren und Bränden)