Das Weinviertel

Winzer vor den Vorhang

(Aktualisiert/ Salzburg, 29.06.2020) Winterweizen und Sommergerste, Kürbis, Raps und Sonnenblumen: Im größten österreichischen Weinbaugebiet prägt nicht nur der Wein die Landschaft. Das sanft hügelige Weinviertel zeichnet ein einmalig schönes, buntes Bild. Das führt man sich am besten mit dem Helm auf dem Kopf vors Auge: Ein dichtes Netz aus Radwegen führt durch diesen Teil Österreichs, der vor allem für seinen Weinviertel DAC (das ist der typische Grüne Veltliner) bekannt ist. Ich aber setze bei meiner Tour, die mich von Salzburg aus zu vier jungen Winzern führt, lieber auf mein Auto.

Womit keiner rechnet

Im südlichen Weinviertel, nur eine halbe Autostunde vom Wiener Stefansplatz entfernt, liegt Stetten. Hier treffe ich, und das mitten in der Hundsleiten, Roman Josef Pfaffl. Die Hundsleiten ist eine Riede, die am nächsten Tag Austragungsstätte einer beliebten Veranstaltungsserie sein wird: „Tafeln im Weinviertel“. Die besten Köche und Winzer des Weinviertels kochen und servieren insgesamt 26 Mal im Jahr an malerischen Plätzen und unter freiem Himmel, was das Weinviertel zu bieten hat. Das ist eben auch der Wein der Pfaffls. Dass der schmeckt, weiß man schon lange, spätestens aber seit 2016: Damals hatte der Wine Enthusiast das Weingut zur „European Winery of the Year“ gekürt. „Wir waren alle von den Socken! Damit rechnet ja keiner.“ Das Weingut führt Roman Josef gemeinsam mit seiner Schwester Heidi. Auf über 110 Hektar wächst hier die süße Frucht – was auch erklärt, warum allein bei INTERSPAR 22 verschiedene Weine im Regalfach stehen, darunter sieben Grüne Veltliner. „Im Weinviertel gibt’s irrsinnig viele Stilistiken, weil die Böden und die Kleinklimata extrem unterschiedlich sind.“ Der Weinviertel DAC Selection sei der Duftigste und Knackigste der Pfaffls, der Weinviertel DAC Haid mit seinen Anflügen von Blutorange schon deutlich voller. „Der Weinviertel DAC Golden ist unser Kraftlackl.“ Einiges an Kraft haben den Winzer auch die letzten beiden Wochen gekostet. Und das, obwohl er im Urlaub war. „Wir fahren sehr gern mit dem Rad, haben es daher auch nach Sardinien mitgenommen.“ Wunderbar ist es dort, aber auch sehr heiß, und die Straßen sind manchmal Rumpelpisten. Pfaffls Plan fürs nächste Jahr: im moderat temperierten Österreich zu bleiben und das Weinviertel per Rad zu entdecken. „Da gibt’s viele Ecken, die ich selber noch nicht kenne.“

 

 

Und was keiner mehr weiß

Von Stetten sind es nur ein paar Katzensprünge nach Großengersdorf, wo ich mit Niki Windisch verabredet bin. Bis vor fünf Jahren hat der gleich auf zwei Hochzeiten getanzt: Zwölf Jahre lang war Niki Kellermeister bei Gerhard Markowitsch. Parallel dazu hat der 35-Jährige den eigenen Betrieb geschaukelt. Der allein hätte die Bäuche der Windischs aber nicht gefüllt. „Ackerbau, ein paar Hektar Wein, ein Heuriger: Davon kannst du nicht leben.“ Aufgeben wollte er das alles aber nicht. Zumindest nicht den Wein! Also ging es täglich 65 Kilometer nach Göttlesbrunn, abends wieder retour und direkt in den eigenen Weingarten, in den Weinkeller und ins Büro. 90 bis 100 Arbeitsstunden pro Woche helfen aber weder der Gesundheit, noch fördern sie das Familienleben. 2013 setzt Niki alles auf eine Karte: „Wir sind stetig gewachsen, haben immer mehr Kunden erreicht. Das war für mich der Punkt, wo ich dem Gerhard schweren Herzens adieu gesagt habe.“ Bereut hat Niki Windisch seinen Entschluss nicht. Auf den zehn Hektar, die er heute gemeinsam mit seiner Familie bewirtschaftet, wächst neben dem für das Weinviertel so typischen Grünen Veltliner (u. a.) der Blaufränkisch. Ist der denn nicht im Burgenland daheim? „Die Sorte kommt eigentlich aus dem Weinviertel, bloß weiß das keiner mehr.“ Sehr wohl fühlt sich der Rebstock in der Leiten, einer nach Süden ausgerichteten, steilen Lage mit einem für die Gegend untypischen Lehmboden. Abnehmer für diesen guten Tropfen zu finden sei lange Zeit „ein echter Kampf“ gewesen. „Die Ab-Hof-Kunden wollten den Blaufränkisch nicht einmal kosten. Erst die gute Bewertung bei Falstaff hat die Leute zum Umdenken gebracht.“ „Gut“ meint übrigens: fabelhafte 96 Punkte!

Spannend wie ein Krimi

Von Großengersdorf geht es weiter nach Mailberg, das von sanften, weinbewachsenen Hügeln umgeben ist. Ein hübscher Ort ist das mit schönen Kellergassen, die von der Abendsonne wie in Gold getaucht sind. „Ich will ja nicht behaupten, dass Mailberg die allerschönste Ortschaft im Weinviertel ist, aber wir sind schon sehr stolz darauf.“ Wer die (buchstäblich ausgezeichneten) Weinwanderwege entlangspaziert, sieht recht gut, worauf Leo Hagn vom gleichnamigen Weingut da anspielt. Leo und Wolfgang Hagn leiten seit über zehn Jahren das Familienweingut. Man habe damals einen Betrieb mit Fundament übernommen, nichts zum Leben erwecken müssen. Und trotzdem haben die beiden das Weingut umgekrempelt: Alles sollte frischer und dynamischer werden, auch die Weinstilistik. „Wir haben kräftige ebenso wie federleichte Weine im Sortiment. Unterm Strich sollte man Hagn aber mit Trinkspaß und Bekömmlichkeit verbinden.” Sortentypizität sei dabei ganz wichtig. Und schöntrinken dürfe man sich auch nichts: Schon der erste Schluck muss schmecken. Was den beiden nicht ganz so gut schmeckt, ist das Bild, das der berühmteste Radfahrer der Gegend (oder vielmehr sein Erfinder) vom Pulkautal zeichnet: Alfred Komareks Simon Polt – und damit jener illuminierte Exekutivbeamte, der mit einem Drahtesel aus dem Zweiten Weltkrieg durch die Weingärten radle und mysteriöse Vorfälle kläre. „Immer wieder kommen Leute zu uns mit dem Satz: ‚Das haben wir uns ganz anders vorgestellt, so rückständig ist das hier ja gar nicht!’“. Ähnlich spannend wie ein Krimi ist jedenfalls die Ernte, der Lesezeitpunkt für Leo Hagn wie ein Geburtstermin. „Zwei Wochen vor dem potenziellen Termin rotiere ich schon!“

Komplett fertig

Der letzte Besuch auf meiner Reise durchs Weinviertel gilt Julius Klein, der in Pernersdorf seine Weingärten bewirtschaftet. Eine wunderbare Ecke der Entschleunigung sei das, wo jeder jeden kennt, das Auto unversperrt bleibt, der Traktor auch und das Haus sowieso. Ein friedlicher Flecken also, der immer mehr geschätzt wird von Leuten, die nicht den Megatourismus suchen. Was er heute mit viel Begeisterung macht, nämlich Wein, hat den Absolventen der Weinbauschule Krems vor zehn Jahren Überwindung gekostet. Ein Leben als Weltenbummler und Snowboardlehrer schien dem Weinviertler damals erstrebenswert. Julius der Fünfte hat die Pfade des Vierten an manchen Stellen verlassen und neue Wege eingeschlagen. Auf der To-do-Liste steht etwa die sorgfältige Bewirtschaftung der Weingartenböden: Klee, Buchweizen oder Ölrettich werden reichlich ausgesät und später kompostiert. Das erhöht den Nährstoffgehalt des Bodens, schützt seine Oberfläche vor der Austrocknung. Auch im Weinkeller ist vieles anders. Neu erfinden wollte Julius nichts, mit der „Macération carbonique“ aber Altes aufgreifen: Dabei wird nicht nur der Saft im Tank vergoren, hineingeschaufelt werden auch ganze Beeren. „Beim ersten Mal hab ich mich noch an die Lehrbücher gehalten. Das ging furchtbar in die Hose!“ Inzwischen hat sich Julius Klein mit diesen Weinen viele Auszeichnungen geholt. „Wir befinden uns gerade in einer echten Aufwärtsspirale. Wo es hingeht, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die Reise Spaß macht.“ Beizeiten aufwärts geht es auch mit Freundin Steffi: „Man kann hier ganz wunderbar Rad fahren, muss nicht super trainiert sein und braucht auf dem Weg auch keine drei Bananen, um die Leistung zu halten. Aber die Steffi, die macht mich komplett fertig mit ihrem Tempo!“

Von Mag. Angelika Huber (Journalistin und Fotografin in Salzburg)

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